Lautes Hundegebell lässt die Tochter meiner Freundin jäh stehenbleiben, als wir wieder mal auf einem Spaziergang durch den Wald sind, diesmal zu dritt. Weit und breit ist zwar weder Hund noch Herrchen zu sehen, doch das Mädchen bleibt zitternd stehen und will partout keinen Schritt mehr weiter gehen. „Das geht nun schon seit etlichen Monaten so“, erklärt meine Freundin betroffen. Bei einem Schulausflug vor einem Jahr sei ihre Tochter von einem großen Hund gebissen worden. Die Verletzung sei nicht so schlimm gewesen und schnell verheilt, doch seitdem habe das Mädchen fast panische Angst vor Hunden.
Das gehe soweit, dass sie auf dem Schulweg große Umwege in Kauf nehme und deshalb bereits häufig zu spät zum Unterricht gekommen sei. Mittlerweile fange sie schon beim Anblick eines Hundefotos an, zu schwitzen und zittern. Und auch das Gebell vom Nachbarhund – ein wirklich treuer und lieber Geselle – lasse den Puls des Mädchens panisch nach oben schnellen. Das ist wirklich schrecklich!
Und sehr typisch, geht es mir durch den Kopf. Indem das Mädchen vollkommen verständlicher Weise alle möglichen Situationen mit Hunden vermieden hat, hat sie unbewusst ihrer Angst mehr und mehr Raum gegeben. Auf diese Weise ist aus ihrem Hundebiss-Erlebnis eine waschechte Angststörung geworden, die ihr Leben von Tag zu Tag immer stärker beeinflusst und auf den Kopf stellt. Ein echter Teufelskreis!
Aus der Arbeit mit meinen Angstpatienten weiß ich, wie schwer es ist, aus diesem Angstkreis auszubrechen. Je länger ich den erdrückenden Gefühlen Raum gebe, desto größer und stärker werden sie. Sehr behutsam nähern wir uns dann Schritt für Schritt den angstauslösenden Situationen an und lernen, damit umzugehen. Oft erscheint die Angst, die zunächst machtvoll und verschlingend auf uns wirkte, dann bald nicht mehr so bedrohlich. Die Patienten lernen Stück für Stück, wieder die Kontrolle zu übernehmen.
Dabei spielt Entspannung eine wichtige Rolle. In der Therapie erreichen wir diese durch Atemübungen oder autogenes Training. Auch Hypnose bringt meine Patienten schnell und wirkungsvoll in einen entspannten Zustand. Warum das so wichtig ist? Ganz einfach: In einem entspannten Zustand haben Angstgefühle erst gar keine Chance, nach uns zu greifen und uns zu kontrollieren. In der Praxis üben meine Angstpatienten das Entspannen deshalb sehr intensiv und machen auch zu Hause damit weiter – als Hausaufgabe sozusagen.
So stehen wir also immer noch mitten im Wald – meine Freundin, ihre Tochter und ich. Das Hundegebell ist längst verstummt, noch immer ist weder Tier noch Mensch in Sicht. Jetzt erstmal tief durchatmen! Nach einer Weile hat sich das Mädchen wieder beruhigt und wir machen uns auf den Heimweg.
Zwischendurch verabreden wir noch einen Termin in meiner Praxis; die Tochter meiner Freundin möchte unbedingt ihre Hundephobie mit meiner Hilfe loswerden. Im Sommer will sie mit ein paar
Mitschülerinnen Ferien auf dem Bauernhof machen, erklärt sie mir. „Und da gibt es neben ganz vielen anderen Tieren bestimmt auch einen großen Hofhund.“
Es grüßt ganz herzlich
Ihre Petra Syring